Sauber gespielt

Wenn ein Mannschaftsleiter früh morgens aufsteht, um seine Schäfchen zusammen zu sammeln (oder zumindest einen Teil davon), dann sollte er dabei nicht nur darauf achten, dass widrige Witterung bis zu einer Stunde mehr Fahrtzeit bis nach Hartmannsdorf nach sich ziehen kann... Nein, die Pflichten eines Mannschaftsleiters sind mannigfaltig. Und da ich diese tolle Funktion wohl nicht mehr ewig bekleiden kann, seien hier meinem Nachfolger einige Tipps hinterlassen:

Was muss der Führer eines U20-Teams also tun, um Psyche und Tatkraft seiner Spieler auf höchstem Niveau zu halten?

Muss er sie schachlich auf die Eröffnungen der Gegner vorbereiten?
Zum Teil. Doch hierfür gibt es auch Datenbanken, Trainer, Vereinskameraden und mitunter sogar Mütter. Und mal davon abgesehen: Ein wahrer Schachspieler braucht gar keine Eröffnungsvorbereitung ...

Muss er sie psychisch auf das Spiel vorbereiten?
Gewiss! Den Druck von der Mannschaft zu nehmen, wenn die Situation zu angespannt ist; ihr Selbstbewusstsein zu verschaffen; sie zu motivieren, oder ihr die Wichtigkeit eines Spiels zu erklären, wenn sie gar zu leger einer Auseinandersetzung entgegensieht, das sind wichtige Aufgaben des Mannschaftsleiters. Nur darf man dies nicht überbewerten, denn auch hierfür gibt es großartige Motiviere-Dich-Selbst-Kassetten mit beruhigender Musikuntermalung für die Spieler zum Selberhören, hierfür gibt es Phrasen, die man auswendig lernen und hemmungslos vorm Spiel herunterdreschen kann, und hierfür gibt es nicht zuletzt ebenso Mütter.

Muss er hinterher dämliche Rundenberichte schreiben, die in ihren Einleitungen jeden Bezug zum eigentlichen Spieltag vermissen lassen?
Besser nicht! Wenn möglich sollte auch hierfür eine Mutter zu Rate gezogen werden.

Ist er für das äußere Auftreten seiner Mannschaft verantwortlich?
Sicherlich gibt es auch hierfür Mütter, doch fällt wohl bei der Betrachtung all dieser Fragen auch auf, dass ein Mannschaftsleiter im Prinzip eine zweite Mutter (auch genannt Mutter für einen Spieltag) darstellt. Da darf man nicht müde werden, auf die körperliche Sauberkeit seiner Schützlinge zu pochen. Von den im folgenden beschriebenen Reinigungsgewohnheiten junger Schachspieler sollte immer auf Option 1 oder 2 beharrt werden... nur selten, wenn man seine Matchstrategie auf der Grundlage wirklich perfider, inhumaner Absichten auslegen möchte, sollte man Option 3 oder gar 4 zulassen:

Von den Reinigungsmethoden junger Schachspieler

Option 1: Das erholsame Bade
Dies ist sicher die am meisten Zeit raubende Möglichkeit, sich sauber zu halten. Früh morgens, kurz vorm Spiel lässt sich sowas daher leider nicht mehr richtig durchführen. Doch wenn man am Vorabend die Zeit findet, bietet diese Hygienemethode einige Vorteile. Nicht nur erscheint man mit dem wohlriechenden Duft von Fichte und ätherischen Ölen am nächsten Morgen vor den Holzfiguren, man hat auch die einmalige Möglichkeit, zusammen mit Quietscheentchen und Eröffnungsbuch das Repertoire noch einmal aufzufrischen. Mut zur Seife wird eben belohnt.

Option 2: Die schnelle Dusche
Wahrscheinlich die praktischste Variante. Man steht früh ein Viertelstündchen zeitiger auf und hat die Möglichkeit, noch einmal allen Schmutz vom Körper zu entfernen. Tolle Markenprodukten mit Revitalising-Formel bauen den kleinen Denksportler noch mal richtig auf und lassen Gegner wie Mannschaftsleiter ob eines angenehmen Körpergeruches frohlocken.

Option 3: Die zweite Haut
Für jeden Mannschaftsleiter, der etwas auf Ansehen, Aussehen und Geruch seiner Mannschaft hält, verbietet es sich natürlich, bei seinen Spielern so etwas zuzulassen. Leider ist es für zu viele dennoch bittere Realität, eine traurige Notwendigkeit, der man zu oft ins Auge sehen muss: Es ist Sonnabend früh, alles ist noch dunkel und friedlich ... das Bett ist weich, der Schlaf angenehm. Plötzlich wird man von einem lauten Klingeln aus dem Schlaf gerissen. Verschlafen! Da bleibt zur gründlichen Pflege natürlich keine Zeit mehr. Zum Glück steht noch die fast schon leere Deo-Flasche auf dem Fensterstock im Bad. Schnell das Duftmittel gleichmäßig auftragen und keiner merkt was... Zumindest für die nächsten zwei Stunden. Danach setzen sich der seit der letzten Reinigung angesammelte Dreck und Schweiß oft doch durch.

Option 4: Die lebende B-Waffe
Warum also überhaupt waschen? Dieses Prinzip sehen viele fälschlicherweise als Konzept psychologischer Überlegungen an. Genau genommen müsste man es aber der biologischen Kriegsführung zuordnen: Man wäscht sich einfach gar nicht und nietet den Gegenüber mit einer dicken Gestankwolke um. Besonders effektiv ist das in engen, ungelüfteten Räumen. Doch Vorsicht! Friendly Fire ist nicht ausgeschlossen. Oft leiden auch die Teamkameraden unter solchen Strategien. Besonders hartnäckige Anhänger dieser Methode sollen bisweilen sogar schon im CIA Alarm ausgelöst haben ...

Bevor ich mich weiter in der Diskussion über schachliche Waschgewohnheiten und Mannschaftsleiter-Aufgaben verliere, sollte ich vielleicht besser mit dem Hinweis schließen, dass in Wilkau stets mindestens Option 2 das Standard darstellt :) So, nun aber zum Spieltag!

Die 7.Runde der 2.Sachsenjugendliga bescherte uns den TSV Kitzscher als Gastmannschaft. Nach den Niederlagen gegen die USG und Görlitz mussten wir heute gewinnen, um weiter Hoffnungen auf den Aufstieg hegen zu können. Günstigerweise spielten die anderen beiden Kandidaten im Kampf um den Aufstieg, Görlitz und Leuben, heute ebenso gegeneinander. Entsprechend groß war der Druck und die Anspannung, die auf den Spielern lasteten.

Dabei erwischten wir diesmal einen sehr günstigen Start. Kay riss in einer Stellung mit gegensätzlichen Rochaden die Initiative an sich und stand mit seinem Bauernsturm bereits kurz vorm Durchbruch an der Königsseite, während sein Gegenüber, Sebastian Stieler, noch weit von irgendwelchen Drohungen am Damenflügel entfernt war. Sebastian versuchte, mit einem Figurenopfer den Druck aus dem weißen Angriff zu nehmen und den Stellungscharakter zu verändern, doch Kays Initiative vermochte selbst dann nicht zu schwinden. Er besetzte die halboffene g-Linie und brach kurze Zeit später mit dem Rest seiner Armee gewinnbringend ein:

18. Sf5! droht Dh6+ mit Matt in der Folge. Der Springer ist Tabu: 18. ... gxf5 19. Lxf5+ Kh8 20. Dh6+ mit Matt im nächsten Zug. 18. ... Sg8 19. Dd4 Sf6 Gegen die Drohung Dg7 war vielleicht 19. ... e5 noch der beste Versuch, doch auch das hätte nach 20. Dxd6 Dxd6 21. Sxd6 das Leiden höchstens verlängert. Schwarz fehlt dann jede Kompensation für die geopferte Figur. 19. ... f6 hätte bereits das gewinnbringende Turmopfer 20. Txg6! zugelassen und nach dem zweiten Turmopfer 20 ... Kxg6 21. Dg1+ Kf7 22. Dg7+ Ke8 23. Txd6!! exd6 24. Sb5 den Schwarzen ohne Verteidigung gegen Sfxd6+ gefolgt von Matt gelassen.

Zugegeben, der 23. Zug war eine Fritz-Idee. Doch auch die Variante, die Kay im Kopf hatte, gewinnt leicht: 23. Dg6+ Kd7 24. Sxd6+ Kc6 25. Sdb5! und Schwarz kann zwischen Damenverlust und Matt mittels Ld7+ wählen.

Doch zurück zur Partie. Mit dem letzten tatsächlich gespielten Zug des schwarzen verband sich wohl ein wenig die Hoffnung auf eine Zugwiederholung. Natürlich hat Weiß ganz andere Dinge im Sinn: 20. De3 Sg8 21. Tg5 der Turm bettelt geradezu danach, geopfert zu werden 21. ... Lc8 22. Txh5+! gxh5 23. Dg5 Lxf5 24. Lxf5+ 1-0 Schwarz ist absolut wehrlos gegen das drohende Matt.

Nach diesem Sieg war auch der Rest der Mannschaft beflügelt. David hielt am fünften Brett mit den schwarzen Steinen einem vielversprechend aussehenden Angriff seines Gegners stand und konnte dabei sogar noch einen Bauern am Damenflügel einsammeln. Diesen rettete er bis ins Bauern-Endspiel und wandelte seinen Vorteil so in den zweiten Punkt für uns um. Auch Erik, der am 6.Brett die weißen Steine führte, geriet kurze Zeit später in Vorteil. Zwar ließ er einen vielversprechenden Königsangriff nur ins Endspiel abdriften, die Kontrolle über das Spiel behielt er aber. Seine Gegnerin, Belinda Peglow, zeigte letztlich Nerven und verlor einen ganzen Turm. 3-0 für uns. Michael und Miguel, die an Brett 1 und 3 hatten sich inzwischen in ausgeglichene Stellungen manövrieren können und die günstige Matchsituation zu einem Remisangebot genutzt. Offenbar hatte Kitzscher hier schon die Hoffnung aufgegeben, denn die beiden willigten in die Punkteteilung und damit in den Wilkauer Sieg ein. Beim Stand von 4-1 war es Isabell, die noch bis zum Ende weiterkämpfte. Nach langem Zerren erhielt sie ein Turmendspiel mit Mehrbauern, was sie mit hervorragender Technik in den Partiegewinn umsetzen konnte.

SV M Wilkau-Haßlau   ESV Delitzsch

Michael Schulz
 ½ : ½
Tobias Kulke
Kay Schaarschmidt
 1 : 0
Sebastian Stieler
Miguel Rivera Boris
 ½ : ½
Kay Ehrlich
Isabell Hirsch
 1 : 0
Dustin haferkorn
David Klemm
 1 : 0
Tom Weise
Erik Baumann
 1 : 0
Belinda Peglow
 
 5 : 1
 

Das Ergebnis von 5-1, was unseren bisher höchsten Saisonsieg darstellt, übertrifft alle unsere Erwartungen. Dennoch halte ich es für verdient. Es ist ein Produkt der mannschaftlichen Kampfkraft, die schon seit jeher unsere Stärke darstellte. Das Team hat gezeigt, wie gut es mit dem Druck umgehen kann, der nach den beiden letzten Niederlagen auf ihm lastete. Und es hat gezeigt, dass Wilkau im Kampf um den Aufstieg noch lange nicht abgeschrieben werden darf. Mit einem Punkt Rückstand auf Görlitz und einem Zähler Vorsprung vor Dresden wird die finale Doppelrunde in der Mittelschule Kitzscher für alle zu einem hoch spannenden werden.

Zum Schluss noch das beliebte Gruppenfoto

Markus Bindig


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