Quis novis?

Die Saison 2005/06 ist neu, dennoch scheint sie schon frühzeitig eine Vielzahl althergebrachter Gegebenheiten zu bieten, die sich wohl niemals ändern werden: Grauenhafte Klingeltöne des Mobiltelefons erschallen noch immer am Morgen des Spielsamstages, um den Schachfreund aus dem Bett zu jagen. Sie leiten denselben steten Kampf ums Aufstehen ein, wie er sich schon in der letzten Saison darbot: Ein Teil des Fußes regt sich langsam, um sich aus der Bettdecke hervorzutasten. Doch das sensible Temperaturempfinden der unteren Extremitäten zwingt schon frühzeitig zum Rückzug. Links: kalt; rechts: Wand. Gefangenschaft! Darüber hinaus wird die Sonne wohl noch einige Zeit auf sich warten lassen, bis sie den unsrigen Teil des Planeten bescheint, weshalb sich das Schlafgemach in eine Dunkelheit hüllt, die kaum zum Ausbruch einlädt. Manch einer kennt solch ein Gefühl vom Studium her… mit einem Unterschied: Der Schachspieler entschließt sich letztenendes doch, aufzustehen. Auch der Folgeablauf ist nicht neu: Dusche, Kaffee, Stifte einpacken, zum Auto rennen und beinahe die Nachbarskatze überfahren. The same procedure as every year.

Davon abgesehen ergaben sich für unsere U20 Mannschaft auch einige Neuerungen, teilweise erfreulicher, teilweise unerfreulicher Natur. Steffi und Markus waren leider überaltert und durften deswegen nicht mehr spielen. Für Markus, der dennoch Mannschaftsleiter blieb, stellte sich also die Aufgabe, Nachfolger zu finden. Vielmehr noch mussten zusätzliche Spieler gefunden werden, denn der Aufstieg in die 2.Sachsenjugendliga erhöhte auch die Spielerzahl von 4 auf 6 Mann pro Team. Glücklicherweise bot der Wilkauer Nachwuchs eine Fülle von Rekrutierungsmöglichkeiten. So kamen Miguel Rivera Boris und David Klemm, die beide der U16 entwachsen waren, neu in die Mannschaft. Darüber hinaus spielt nun auch Michael Schulz, der bereits letztes Jahr bei zwei Spielen als Ersatzmann aushalf, eine tragende Rolle in unserer Stammaufstellung: Er spielt am ersten Brett. Kay, Isabell und Erik, die schon in der vergangenen Saison die Bauern für die U20 schoben, komplettieren das Sextett, was sich schlussendlich in folgender Stammaufstellung niederschlägt:

#1 Michael Schulz
#2 Kay Schaarschmidt
#3 Miguel Boris Rivera
#4 Isabell Hirsch
#5 David Klemm
#6 Erik Baumann

Das Erwartungsbild für die neue Spielklasse blieb noch weitgehend unklar. Die 2.Sachsenjugendliga ist voll von starken Mannschaften und es war (und ist) schwer abzusehen, wo sich die Muldentaler einordnen werden. Mit unserem ersten Gegner, der wohl zu den stärksten Mannschaften hinzuzuzählen ist, sollte die Tauglichkeit unseres Teams also geprüft werden.

Als sich unsere Mannschaft gestern am gewohnten Treffpunkt in Eckersbach traf, hatten alle anderen Vereine der Staffel ihre Spiele schon bestritten. Nur Wilkau-Haßlau und Engelsdorf waren zum Nachholen ihrer Partien gezwungen, weil am 17.09. die Zwickauer Arcaden den hiesigen Spielern im Zuge der Werbeaktion „Schach – Das Spiel der Könige“ eine Menge Aufgaben aufdrückten. So waren wir außerstande, die erste Runde der diesjährigen Saison regulär wahrzunehmen. Dankenswerteweise stimmte Engelsdorf einer Spielverlegung zu und schlug den 01.10. als Ersatztermin vor.

Gesagt getan. Zusammen mit Mannschaftsleiter Markus und Frau Klemm, der an dieser Stelle herzlicher Dank für ihren Fahrdienst ausgesprochen werden soll, fuhr unser Sechser nach Leipzig. Die Reise verlief ohne Probleme und wir waren pünktlich am Engelsdorfer Sportplatz, wo wir vom gegnerischen Mannschaftsleiter Rüdiger Kuersten begrüßt wurden. Dementsprechend pünktlich konnten auch die Partien beginnen, wobei es die erste Überraschung schon zu sehen gab, bevor überhaupt die Uhren gedrückt wurden: Miguel blieb an Brett 3 ohne Gegner, weil die Engelsdorfer nur zu fünft erschienen waren. Damit fiel uns kampflos der erste Punkt zu, was wohl einen entscheidenden Vorteil bedeutete.

David sorgte an Brett 5 für die nächste Überraschung. Ihm genügten 9 Züge, um seinen Gegner matt zu setzen. Eine großartige Leistung, die uns nach nur 15 Minuten schon 2-0 in Führung brachte. Damit löste sich ein großer Teil der teilweise mitgeschleppten Anspannung, was sich auch in Eriks Partie am sechsten Brett niederschlug:

Witek, Steffen - Baumann, Erik

Auf Kosten eines Bauern konnte Erik einige Schwächen in die Stellung des weißen Spielers bringen. Die schwarzen Figuren nisten sich langsam in der gegnerischen Stellung ein. Angesichts des immer größer werdenden Drucks auf den weißen König macht Eriks Gegner schließlich den entscheidenden Fehler.
14. f4? Lh4+ 15. Kd1 Lxf1 16. Txf1 Sd3
Die weiße Stellung ist hier nur noch schwer zu halten. Da ein Fehler selten allein kommt, gibt sich weiß hier den Gnadenstoß:
17. Kc2?? Sc5! 18. Dc3 Lf6 und die Drohung Dd3+ kann nicht mehr pariert werden. Die Partie endete wenig später mit einem Sieg für Erik.

Damit lagen wir sehr früh 3-0 vorn und hatten das Unentschieden sicher. Damit wurde der weite Weg nach Leipzig zumindest nicht umsonst angetreten. Doch war auch ein Sieg drin? Ein Blick auf Isabells Brett brachte zunächst einen Dämpfer. Sie hatte sich in eine immer ungünstiger werdende Stellung manövriert und schließlich eine Figur ohne jede Kompensation verloren. Somit folgte der Engelsdorfer Anschluss kurz auf Eriks Erfolg. Auch Brett 1 versprach nicht sehr viel. Michael kam gegen einen sehr stark spielenden Gegner mehr und mehr ins Hintertreffen und büßte schließlich einen Springer ein. Er kämpfe noch lange zäh gegen den schwarzen Mehrspringer im Damenendspiel an. Schließlich zeigte sich aber einmal mehr, dass Dame und Springer kreuzgefährlich beim Angriff auf den König sind: Michael war matt. Damit hing Erfolg oder Teilerfolg an Kay, der am zweiten Brett mit schwarz zunächst eine gar nicht so schlecht anmutende Stellung erhielt. Nach und nach kam er aber ins Hintertreffen und musste in einem höchst spannenden Endspiel mit Läufer gegen Springer ums Remis kämpfen. Das Spiel ging über die volle Distanz, aber Kay blieb eiskalt. Sein Gegner schaffte es nicht, seinen Mehrbauern zum Sieg zu führen, sodass gegen 14 Uhr der Erfolg für die Muldentaler gesichert war.

SV Lok Engelsdorf   SV M Wilkau-Haßlau

Ruediger Kuersten
 1 : 0
Michael Schulz
Torsten Zuther
 ½ : ½
Kay Schaarschmidt
Marcus Große
 - : +
Miguel Rivera Boris
Claudia Stopp
 1 : 0
Isabell Hirsch
Jakob Klatt
 0 : 1
David Klemm
Steffen Witek
 0 : 1
Erik Baumann
 
 2½ : 3½
 

Wohin geht also der Trend für das nächste Jahr? Nach diesem Erfolg erscheint es unwahrscheinlich, dass unsere U20 um den Erhalt der Klasse zu kämpfen hat. Unsere Spieler zeigten an allen Brettern gute Leistungen, die teilweise vielleicht sogar noch steigerungsfähig sind. Der nächste Gegner heißt Dresden-Leuben und wird sich mit Sicherheit als gleichermaßen große Herausforderung präsentieren.

Noch erfreulicher als der sportliche Erfolg aber ist die sehr gute Integrationsfähigkeit, die unsere drei Neulinge bewiesen haben. Michael, Miguel und David fügten sich hervorragend in die Mannschaft ein und schufen ein Klima, mit dem Mannschaftswettkämpfe ganz unabhängig ein angenehmes Erlebnis sind und uns den künftigen Punktspielen entgegenfiebern lassen.

Markus Bindig


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